Jagd auf Sauen
Jagdstrategien an der Kirrung
Saujagd an der Kirrung
Als Kirrung bezeichnet man eine Stelle, an der regelmäßig Fraß (Mais, Weizen, Eicheln, Nüsse, etc.) ausgebracht wird, den das Schwarzwild aufnehmen kann. In der Regel befindet sich in direkter Nähe zu einer Kirrung eine Ansitzeinrichtung, von der aus Sauen erlegt werden können. In anderen Ländern z.B. der Türkei werden Kirrungen ohne Ansitzeinrichtung angelegt und dann nachts bei gutem Wind angepirscht.
In Deutschland wird über die Hälfte des heimischen Schwarzwildes an Kirrungen gestreckt. Auch wenn die Jagd in freier Feldflur und am Wechsel deutlich spannender ist, gehört die Kirrjagd sicher zur effektivsten Methode, Schwarzwild zu bejagen.
Kirrung: Klassische Saujagd
Die häufigsten Fehler bei Kirrungen
Wer die häufigsten Fehler versteht, die in Bezug auf Kirrungen von Jägern begangen werden, weiß, wie man perfekt Kirrungen anlegt.
- Zu viele Kirrungen auf kleiner Fläche. Die meisten Landesjagdgesetze regeln die erlaubte Anzahl von Kirrungen, meist nach Hektarzahl. Abgesehen von den gesetzlichen Bedingungen zur Höchstzahl von Kirrungen pro Fläche, betrachten wir die Anzahl von Kirrungen nun jagdpraktisch. Jede Kirrung stellt eine potentielle Fraßquelle für Sauen dar. Durch eine hohe Anzahl von verschiedenen Fraßquellen auf kleinem Raum ermöglicht man den Sauen, optimal den Wind ausnutzend, zwischen verschiedenen Kirrungen zu wählen. Damit sinkt unsere Chance, die Sau genau an unserer Kirrung zu Gesicht zu bekommen. Hier gilt: weniger ist mehr. Ein weiterer Vorteil: bei Anlage von nur wenigen Kirrungen laufen häufig auch mehrere Rottenverbände in einer Nacht ein und dieselbe Kirrung an, insbesondere wenn man zusätzlich mit Kirrtrommeln arbeitet.
Ein Graus sind mir Doppelkirrungen: kaum hundert Meter von der einen Kirrung wird eine weitere angelegt, weil sie „auch so gut angenommen wird“. Doppelkirrungen sind nicht nur gesetzlich unzulässig sondern schmälern auch unsere Chancen auf Jagderfolg. Sicher mag es sein, dass eine große Rotte gleich mehrere dieser Kirrungen nacheinander plündert, aber der Überläuferkeiler oder der Trupp versprengter Frischlinge wird manchmal nur eine einzige Kirrung annehmen und dann satt von dannen ziehen. Daher lohnt es sich, dem Drang zu widerstehen, übermäßig viele Kirrungen anzulegen. Auch zeitlich und finanziell gesehen, rentiert es sich, hier etwas bescheidener vorzugehen: 5 Kirrungen, die mit je 2 Liter Mais am Tag bestückt werden, ergeben einen Maisverbrauch von 3,5 Tonnen pro Jahr. Das sind bei 320 € pro Tonne Mais rund 1120 € pro Jahr. Zehn Kirrungen würden den Pächter jedoch 2240 € Mais und unzählige Arbeitsstunden im Jahr mehr kosten.
- Unregelmäßiges Kirren. Eine Kirrung, die nur alle paar Tage mit Mais beschickt wird, stellt keine verlässliche Nahrungsquelle dar. Das unregelmäßige Ausbringen von Mais hat zur Folge, dass die Sauen auch nur unregelmäßig zu Besuch kommen und stattdessen Nahrungsquellen aufsuchen, die Nacht für Nacht verfügbar sind, z.B. die Kirrung im Nachbarrevier, die jeden Tag beschickt wird.
- Ungünstige Lage der Kirrung. Einige Jahre lang bejagte ich bei einem meiner Freunde in seinem Odenwaldrevier. Eine sehr vielversprechende Kirrung mit einer großen Suhle war quasi immer angenommen. Doch obwohl ich unzählige Male dort jagte, sah ich nie auch nur eine einzige Borste. Location, location, location! Die Lage war schuld: die Kirrung befand sich auf einer 15 x 15 Meter großen Freifläche in einem großen Anflug von jungen Buchen. Hier konnten die Sauen herrlich den Hochsitz aus sicherer Deckung einmal umkreisen, um sich Wind zu holen. Bei Kirrungen gilt die Regel: der Hochsitz sollte so aufgestellt werden, dass die Sauen sich keinen Wind holen können, ohne vom Jäger gesehen zu werden. Damit eignen sich Hochwald, die Feldflur und andere Freiflächen für Positionierung des Hochsitzes. Stelle aber niemals Deinen Hochsitz in Dickungen oder Flächen, die die Sauen ungesehen umlaufen können, um sich Wind von uns zu holen. An diesen Plätzen wirst Du- genau wie ich- feststellen, dass die Sauen die Kirrung super annehmen- aber nie kommen, wenn du ansitzt.
Sauen mögen keine Veränderung
Klassische Konditionierung
Sauen sind extrem lernfähig. Wie schwarzwild lernt und welche Gegenstrategien dagegen wirken.
Im Jahr 1905 führte ein russischer Forscher ein für damalige Verhältnisse bahnbrechendes Experiment mit Hunden durch. Er bemerkte, dass die Hunde in einem Zwinger durch den Klang von nahenden Schritten Speichelfluss entwickelten, da sie das Näherkommen der Menschen mit Futtergabe verknüpften. Der Forscher knüpfte von da an die Gabe von Futter mit dem Klingelton einer Glocke. Nach einer Weile reagierten die Hunde bereits bei Ertönen der Glocke mit Speichelfluss. Dem Forscher war es gelungen, eine unwillkürliche Körperreaktion, nämlich den Speichelfluss des Hundes, durch einen Reiz auszulösen, genauer gesagt eine spezifische Reizantwort zu konditionieren. Dieser Vorgang ist mittlerweile als klassische Konditionierung bekannt und bescherte dem findigen russischen Forscher Iwan Petrowitsch Pawlow den Nobelpreis. Der Mechanismus der klassischen Konditionierung bildet die Grundlage für das Lernverhalten unseres anpassungsfähigen Schwarzwildes.
„Die Sauen haben wieder richtig Schaden gemacht im Mais. Schätze über eintausend Euro. Und weißt du, wo die waren? Direkt am Ort hinter den Häusern!“ Als ein Jagdfreund von mir vor einigen Jahren ein kleines Revier im Odenwald gepachtet hatte, war die Sau noch seltenes Wechselwild und von Wildschaden keine Rede. Im Laufe der letzten Jahre waren jedoch die Schwarzwildbestände deutlich angestiegen und die wenigen Feldflächen wurden immer intensiver von den Sauen heimgesucht. Und obwohl Pächter und Mitjäger sich manche Nacht um die Ohren geschlagen hatten um den Sauen- Ansturm in das einzige Maisfeld der Umgebung zu bremsen, hatten die Sauen wieder einmal ihre Schwarten unbehelligt durchgebracht. Dabei hatten die Jäger immer wieder an der Waldkante angesessen, die eine schlauchartige Verbindung zu den Einständen bildete. Es muss eine sehr gewiefte Altbache gewesen sein, die nach mehrmaliger Störung an der Waldkante beschloss, rund einen Kilometer in dem Maisacker Richtung Dorf zu wechseln, um sich keine hundert Meter hinter den Häusern einzuschieben und dort mehrere Wochen unentdeckt ihre Zöglinge und sich selbst durchzubringen. Dieses Beispiel ist typisch für das Lernverhalten unserer geliebten Sauen. Verknüpfen Sauen einen bestimmten Reiz, beispielsweise einen Ort, mit Gefahr, so wird dieser Reiz in Zukunft gemieden, um Gefahren zu vermeiden. Da üblicherweise in Ortsnähe nicht gejagt wird, erfolgt nach einer kurzen Zeit eine positive Reizverknüpfung und die Sauen bleiben solange dort, bis die Lage sich ändert, sie also bejagt werden oder der Maisacker geerntet wird. Ich habe genau dasselbe Verhalten auch bei Feldrehen im Winter erlebt. Nachdem ich zweimal beim Anpirschen ein- und desselben Sprunges frühzeitig entdeckt worden war, wurde es den Rehen zu bunt und sie flüchteten kurzerhand Richtung Dorf, um sich dort direkt angrenzend zu den Häusern einzustellen. In diesem Moment wurde mir klar, wie stark der Sprung die Ortsnähe mit Sicherheit assoziierte. Wahrscheinlich war in diesem Bereich niemals ein Schuss gefallen.
Ein anderes Mal führten eine smarte Bache, die eine Rotte von rund zwanzig Sauen führte, und ich einen kalten Krieg. Der Jagdpächter hatte mir versichert, dass die Sauen seit Wochen täglich eine Kirrung besuchten. Dennoch wollte es nie klappen. Am ersten Abend kam der Wind von rechts- und die Sauen von links. Ein Blasen, ein Brummen- und der Spuk war wieder vorbei. Am zweiten Abend saß ich an einer anderen Kirrung, doch die Sauen plünderten in dieser Nacht die Kirrung, an der ich schon am ersten Abend angesessen hatte. In der dritten Nacht saß ich wieder an der Kirrung, an der ich auch am ersten Abend angesessen hatte. Der Wind kam von links und ich war guter Dinge. Zur Geisterstunde ein Quicken, ein Knacken, ein Brechen- und die Sauen kamen von rechts. Natürlich bekamen sie Wind und ich ging mit leeren Händen nach Hause. Eine Mondphase später rüstete ich auf. Ich verkleidete den Hochsitz von innen mit Teppich, auch die Fenster. Ein Teppichstück jedoch war flexibel, so dass man es öffnen könnte, sobald die Sauen die Kirrung annehmen würden. Was soll ich sagen, es funktionierte tatsächlich. Die Sauen kamen, holten sich Wind und merkten- nichts. Ich erlegte einen Frischling aus der Rotte, die mit heillosem Getöse abging. Letztendlich ein schmerzbarer Verlust bei der Rottengröße. Einen Mond später saß ich am selben Platz wieder in meiner Autisten- Box und ich glaube, ich würde mich heute, einige Jahre klüger und verwöhnter nicht nochmal in einen derart hermetisch abgeriegelten Hochsitz begeben. Die Uhr zeigte halb eins und das Brechen eines Astes ließ Hoffnung aufkeimen. Aus dem Dunkel der Nacht fing es an zu knacksen und zu krachen. Mein Herz tanzte den Schweinetanz, wie ihn alle begeisterten Saujäger kennen. Ich saß im Dunkeln und hoffte auf das erlösende „Klong“ der Kirrbox. Dann würde ich noch kurz warten, um gleich darauf lautlos den Teppich zu heben, in einem extra dafür angebrachten Nagel einzuhängen und mit meiner Büchse böse in die Nacht zu giften. Doch noch war die Rotte nicht an der Kirrung, irgendetwas stimmte nicht. Nach einer schier endlosen Pause bemerkte ein leichtes Vibrieren im Hochsitz. Rund zwanzig Sauen befanden sich nun, wie man es von Jagdkarrikaturen kennt, direkt unter meinem Hochsitz. Es muss die Leitbache gewesen, die mit einem tiefen Schnauben die Hochsitzleiter mit ihrem Rüssel bearbeitete. Ich fühlte mich wie ein Drogendealer am Flughafen, bei dem der Zollhund lautstark den Koffer verbellt... hoffentlich merkt die nichts! Rund 1300 verschiedene Gene kodieren für den Geruchssinn unseres Schwarzwildes. Genug, um die Spur Mensch, die ich einige Stunden zuvor an der Leiter hinterlassen hatte, auffliegen zu lassen. Die Rotte ging ab und die Bache, die die Witterung meiner Hände und Füße an der Hochsitzleiter eingesogen hatte, prüfte von diesem Moment an jedes Mal bei Aufsuchen der Kirrung die Hochsitzleiter nach menschlicher Witterung. Fortan war es unmöglich, an dieser Kirrung noch ein weiteres Stück aus dieser Rotte zu erlegen, obwohl die Rotte mich mehrfach anwechselte. Die besagte Bache, es muss sich um ein sehr erfahrenes Stück gehandelt haben, hatte durch Konditionierung gelernt, der Kirrung als tägliche Futter- Ressource zu vertrauen. Allerdings wusste sie auch um die Gefahr, die von dem Hochsitz ausging, der sich keine zwanzig Meter von der Kirrung befand. Und so lernte die Bache zunächst, dass sie unbehelligt die Kirrung heimsuchen konnte, wenn sie den Hochsitz gegen den Wind anlief. Nachdem ich sie vom Wind abgeschnitten hatte, lernte sie, ihre bisherige Kontrolle auszuweiten, indem sie die Hochsitzleiter bewand. Frische menschliche Witterung an der Hochsitzleiter verband sie mit Gefahr und suchte in dieser Nacht die Kirrung nicht mehr auf. Gegen die Instinkte einer Mutter scheint wirklich kein Kraut gewachsen.
Rund ein Jahr später wurde ich von einer anderen Rotte an der Nase herumgeführt. Es war wie verhext. Saß ich bis Mitternacht an, kamen die Sauen laut Wilduhr gegen eins, saß ich bis um eins, kamen die Sauen um zwei. In der dritten Nacht beschloss ich, einfach solange zu warten, bis die Sauen tatsächlich kamen. Damals war ich noch Medizin- Student in Heidelberg und eine Mikrobiologie- Vorlesung am nächsten Morgen würde ohnehin genügend Möglichkeit bieten, den mangelnden Schlaf nachzuholen. So bezog ich Stellung und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Gegen zwei Uhr richtete ich mich auf, denn bald konnte es losgehen. Gegen drei wurde ich etwas unruhig, war aber immer noch zuversichtlich. Gegen vier wurde es allmählich hell. Um fünf Uhr musste ich der Wahrheit ins Auge blicken. Es kamen keine Sauen mehr. Wie die Sauen mich so gut an der Nase herumführen konnten, wurde mir erst etwas später klar. Ich saß am selben Platz und hatte einen Jagdscheinanwärter dabei. Gegen Mitternacht verließ der Kollege, der am nächsten Morgen seinem Handwerkerdasein nachgehen musste, den Sitz. Obwohl sein Auto rund zweihundert Meter vom Sitz entfernt stand, war deutlich zu vernehmen, wie er über den trockenen Schotterweg aus dem Wald fuhr. Rund eine Stunde später wechselte mich eine starke Bache mit acht Frischlingen an. Ich bin heute noch absolut sicher, dass dieses erfahrene Stück die Kirrung nur aufsuchte, weil es sicher war, dass ein abfahrendes Auto Entwarnung bedeutete.
Die beschriebenen Beispiele zeigen, wie bei den Sauen durch klassische Konditionierung die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht wird. Doch es scheint eine weitere Ebene der Konditionierung zu geben, die zumindest im gewissen Maß erklärt, wieso sich das Verhalten der Sauen über die Generationen scheinbar verändert. Im Jahr 2013 wurde in dem Fachblatt „Nature Neuroscience“ eine Studie veröffentlich, die zeigte, dass die Nachkommen von Mäusen, die gleichzeitig Kirschblütenduft und Stromstößen ausgesetzt gewesen sind, ebenfalls ängstlich auf Kirschblütenduft reagierten, obwohl sie nach der Geburt von ihren Eltern getrennt wurden, damit sie sich das Verhalten nicht abschauen konnten. Bei der Analyse der Gene der betroffenen Nachkommen fand man Veränderungen der Gene, die für Geruchsempfindung verantwortlich sind. Es scheint, als sei die DNA eine Struktur, die weitaus flexibler ist als wir sie uns im Moment noch vorstellen. Von Gehirnnervenzellen dachte man übrigens auch lange, dass sie sich kaum verändern und dabei wurde die Fähigkeit zur Neuorganisation von Nervenzellverbänden stark unterschätzt. Augenscheinlich sind wir gerade erst dabei, herauszufinden, inwiefern Umweltreize sich auf die Erbinformationen auswirken, die an die Nachkommen weitergegeben wird. Wenn Mäuse ihre durch Kirschblütenduft vermittelte Angstreaktion an ihre Nachkommen vererben, wieso sollten dann Wildschweine nicht ihre Angst vor Drückjagdböcken oder Kirrungen an ihre Nachkommen weitergeben? Aus mehreren Revieren habe ich bereits die Information erhalten, dass die Sauen trotz fehlender Mast die Kirrungen weniger annehmen als früher. Zufall oder Folge vererbter Angst? Wir werden sehen. Eins steht fest: egal, ob über das direkte Lernen, oder über Gene, Sauen lernen sauschnell.
Eine weitere Erfahrung, die für das beeindruckende Lernverhalten von Sauen spricht, teilte ein Kollege mit mir, der seit Jahren ein Revier in der Südheide betreut. Er hatte aufgrund seiner Wildkamera- Aufzeichnungen Daten gesammelt, die belegen, dass Keiler in seinem Revier, wenn diese überhaupt eine Kirrung anliefen, fast ausnahmslos zwischen zwei und vier Uhr morgens anwechselten. Dreimal dürfen Sie raten, zu welcher Zeitspanne der Nacht die wenigsten Kirrungen mit Jägern besetzt sind. Ich selber vertrete die Ansicht, dass es bei scharfer Bejagung -abgesehen von wenigen Wochen innerhalb der Rauschzeit- sehr unwahrscheinlich ist, überhaupt einen reifen Keiler an der Kirrung zu erlegen, da diese die Hochsitze kennen und stets gegen den Wind anlaufen. Den wirklich erfahrenen Keiler wird man am ehesten dort bekommen, wo kein Hochsitz steht.
Interessant ist auch das sehr unterschiedliche Verhalten von Schwarzwild gegenüber potentiellen Störquellen. Auch hier greift die klassische Konditionierung. Ich jagte eine zeitlang in einem Revier, in dem die Kirrungen mit Kirrtrommeln und sogenannten Sauhandys betrieben wurden. Beginnen die Sauen die Trommel zu bewegen, wird dadurch das Sauhandy in der Kirrtrommel ausgelöst, welches wiederum einen Anruf tätigt, so dass ein Alarm ausgelöst wird. Nicht gerade romantisch, aber sehr effektiv, vor allem weil das tägliche Ausbringen von Mais überflüssig wird und man genau sieht, wann und wie lange die Sauen an den Kirrungen beschäftigt waren. Die Kirrtrommeln müssen nur einmal im Monat beschickt werden, da nur sehr geringe Mengen von Mais heraus rieseln. Das hatte zur Folge, dass wir kaum an die Kirrungen liefen geschweige denn dort unsere Witterung hinterließen, da wir uns vor allem nach den ausgelösten Signalen richteten. Allerdings führte das einmal im Monat stattfindende Beschicken der Trommeln dazu, dass die Sauen die Kirrungen für 2-3 Tage nicht mehr anliefen. Aus anderen Revieren wissen wir jedoch, dass das tägliche Beschicken der Kirrungen nicht als Störung wahrgenommen wird, da die Sauen sich an die fahrenden Autos und die Witterung des Jägers gewöhnt haben. Nicht jedoch bei den Kirrtrommeln, da es sich um eine seltene Störung handelte, an die die Sauen nicht gewöhnt waren und die damit als mit Gefahr verbundener Reiz wahrgenommen wurde. Und wenn Sie jetzt denken, Sie haben die Regel erkannt, kommt nun die Ausnahme. In demselben Revier beschickte ich einmal gemeinsam mit dem Jagdpächter eine der besagten Kirrtrommeln. Der Pächter, ein echter Kopfhund, der intuitiv überall markieren musste, ließ es sich nicht nehmen, direkt neben der frisch beschickten Kirrtrommel Wasser zu lassen. Ich sagte nichts und war mir sicher, dass dieser Platz für die nächsten Tage von den Sauen gemieden werden würde. Interessanterweise war die Kirrung bereits zwei Stunden später für mehrere Stunden von den Sauen angenommen. Wieso hatten die Sauen in diesem Fall ganz anders reagiert als sie es sonst zu tun pflegten? Weil wir es nicht mit einer Sau, sondern mit unterschiedlich erfahrenen Sauen zu tun haben. Manche Sauen sind äußerst gewitzt und führen uns immer wieder an der Nase rum. Andere laufen selbstmörderisch beim besten Mondlicht die Freifläche vor unserem Hochsitz an. Abgesehen von dem Erfahrungsgrad der Sauen an sich, spielt auch die genetische Variabilität eine Rolle. Genauso wie bei den Menschen, gibt es auch bei den Sauen genetisch ängstlichere Stücke und eben die Draufgänger. Während der Draufgänger schneller Gewicht ansetzt und damit in Gebieten mit Großraubwild wie Russland seine Überlebenschancen gegenüber seinen Artgenossen deutlich erhöht, fällt dasselbe Stück anderswo, beispielsweise in einem stark bejagten Land wie Deutschland aufgrund seiner Dreistigkeit viel früher der Kugel zum Opfer. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in Deutschland wirklich reife Keiler -unabhängig von der Rauschzeit- meistens deutlich schwächer im Wildbret sind als der klassische Dreijährige, der aufgebrochen 120 kg auf die Waage bringt? Das hängt damit zusammen, dass alte Keiler aufgrund ihrer großen Vorsicht weniger Fraß aufnehmen als unvorsichtigere jüngere Stücke.
Denken Sie einfach mal drüber nach, mit welchen Reizen Sie Ihre Sauen bereits positiv oder negativ konditioniert haben. Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Sauen Sie immer häufiger austricksen, brechen Sie einfach mal mit Ihren eigenen Gewohnheiten. Wenn Sie normalerweise nur bis Mitternacht sitzen, schlafen Sie nachmittags und gehen erst zur Geisterstunde raus. Lassen Sie Ihr Auto an der „Keilerkanzel“ stehen und setzen sich gewitzter weise aber am „Eichenberg“ an. Bleiben Sie sonst bei Regen zuhause, gehen Sie bei Regen auf Jagd. Jagen Sie sonst bei Vollmond, dann jagen Sie zur Abwechslung bei Halbmond. Jagen Sie normalerweise vom Hochsitz, dann gehen Sie pirschen. Was ich damit sagen will: werden Sie unberechenbar. Spielen Sie Ihre Rückhand, wenn die Sau mit der Vorhand rechnet. Waidmannsheil.